Gnawa
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Version vom 20:11, 1. Jun 2008
Das Wort Gnawa (oder Gnaoua) bezeichnet sowohl die Angehörigen einer magischen Kaste der Haratin – der subsaharischen Nachkommen der Sklaven in Marokko – wie auch ihre spezifische (musikalische) Tradition. Die Gnawa praktizieren eine spezielle Form des Sufismus, der mit schamanischen Ritualen ihrer alten Heimat verknüpft wird, ähnlich den synkretistschen Voodoo- und Candomblé-Ritualen in den Amerikas. Das zentrale Element der Gnawa-Liturgie ist die Lila (ليلة), arab. „Nacht“, während der die Teilnehmer des Rituals sich vermittels Trance-induzierender Musik, akrobatischen Tanz, Tieropfer und Weihrauch in Trance versetzen, um Gesundheit (insbesondere psychische) oder Reinigung von bösen Geistern zu erzielen. In den Zentren Essaouira und Marrakesh werden vor allem vor dem Fastenmonat Ramadan verstärkt Gnawarituale durchgeführt, während des Ramadan unterbleiben sie.
Die Liturgie der Gnawas ist äußerst komplex und übersteigt im Grunde die Ausdrucksmöglichkeiten einer europäischen Sprache. Diese Einschränkung vorweg genommen, handelt es sich um eine Wiederholung der Entstehung des Universums und seine Manifestation im menschlichen Körper. Dies geschieht durch Anrufung der sieben Mluk (ملوك). Die Mluk sind zu verstehen als abstrakte spirituelle Prinzipien, unter denen sich eine Anzahl ähnlicher Geister versammeln. Sie werden repräsentiert durch die sieben Farben, die sich in der Kleidung der Tänzer wiederholen; ebenso durch sieben musikalische Grundmuster und Folgen von Tanzschritten, deren Unterschiede Außenstehenden aber kaum nachvollziehbar sind.
Die Musik der Gnawa zeichnet sich aus durch hypnotische langsame, tiefe Gesänge und einfache Melodielinien, die wenige Noten umfassen. Es handelt sich dabei um Anrufungen der sieben „Mluk“, der die unter Anleitung eines „Maâlem“, oder Ritualführers über lange Zeit, oft im Call-and-Response-Singen wiederholt werden, um ein Trance-Erleben zu ermöglichen. Wie auch im Qawwali-Gesang wird manchmal im Verlauf der Aufführung Tempo und Intensität gesteigert, um die Spannung zu erhöhen.
Spezifische Begleitinstrumente des Gnawa-Gesangs sind neben Klatschen die Tbel außerdem Qraqeb und Gimbri.
Die Tbel ist eine große Trommel.
Bei den Qraqeb (in der Einzahl „Qarqaba“) handelt es sich um eine Art große Kastagnetten aus Schmiedeeisen. Die Qraqeb verweisen ethnologisch auf die Bedeutung der Magier-Schmiede im subsaharischen Afrika, ursprünglich könnte es sich dabei um Feuerzangen gehandelt haben.
Das Gimbri ist eine einfache Langhalslaute vom Banjo-Typ, bestehend aus einem mit Ziegenhaut bespannten Holzkorpus und einem hölzernen Stiel, an dem drei aus Ziegendärmen bestehende Saiten mit Lederschlaufen gehalten werden. Die einfache Bauweise des Gimbri läßt lediglich eine niedrige Spannung und entsprechend tiefe Töne zu, die eine stark rhythmische, pulsierende Baßbegleitung des Gesangs darstellen. In Marokko hat die Gnawa-Musik seit den sechziger Jahren zunehmendePopularität erlangt. Begründer dieser Welle war die Gruppe „Nass El Ghiwane“ aus Casablanca, die mit Gnawamusik das eigene marokkanische Erbe in den Vordergrund rücken und die Vorherrschaft algerischer Popmusik im Maghreb brechen wollte. In den letzten Jahren haben auch in der marokkanischen Exilgemeinschaft Mischungen aus Gnawa und Popmusik wie Reggae, Dub, Disco etc. stark an Boden gewonnen, bei denen naturgemäß der spirituelle Aspekt des Gnawarituals stark in den Hintergrund rückt.
Kategorien: Musiktraditionen Afrikanische Musik