Rebetiko
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Version vom 16:02, 20. Okt 2008
Der Rebetiko ist, ähnlich wie der Rai in Algerien, oder der Blues bzw. der Jazz in Amerika, eine Musikform, die ländliche Wurzeln durch die rapide Urbanisierung im 19. und frühen 20. Jahrhundert in die städtischen Unterschichten getragen und dort ein neues Selbstgefühl definiert hat. Charakteristisch für dieses Lebensgefühl im Rebetiko ist Entwurzelung, soziales Außenseitertum, Haschischrausch und eine gewisse, vor allem stark maskulin definierte Kultivierung der eigenen Gefühlswelt. Dies führte unter der Diktatur von Ioannis Metaxas ab 1936 zur Kriminalisierung der Rebetikokultur.
Die gesellschaftliche Grundlage der Rebetikokultur liegt in einer verfehlten Modernisierung des Landes nach der Befreiung von der türkischen Herrschaft in den 1830er Jahren. Die europäischen Schutzmächte hatten zwar ein autonomes Griechenland gegen die Türkei durchgesetzt, versäumten aber, eine Landreform vorzunehmen. Da die Industrialisierung des Landes ebenfalls stecken blieb, entwickelte sich unter feudalen Strukturen eine urbane Gesellschaft mit großem, der ländlichen Kultur entfremdetem Subproletariat. Die Entwicklung gipfelte 1922 in der von Griechenland so empfundenen „kleinasiatischen Katastrophe“: Griechenland versuchte erfolglos, militärisch ein Großgriechenland aus den Resten des türkischen Großreiches zu gründen. Im folgenden Friedensvertrag wurde ein Bevölkerungstausch vereinbart, in dessen Folge 1,5 Millionen Griechen nach Griechenland emigrierten, die ursprünglich auf türkischem Gebiet gelebt hatten. Der gesellschaftliche Ort, an dem sich der Rebetiko entwickelte war das Gefängnis und die Tekedes: Hafenspelunken der griechischen Küstenstädte vor allem Piräus, Thessaloniki und Volos, ein Tummelplatz für gestrandete Vergnügungssüchtige, in dem Bauchtanz, Haschischrauchen und gesungene Improvisationskunst gepflegt wurde. Der spezifische Reiz des Rebetiko besteht in der Mischung von türkischen Elementen wie dem 9/8-Takt des Zebekiko, einem aus Kleinasien stammenden ursprünglichen Kriegstanz, sowie dem Gebrauch orientalischer Tonleitern, die jedoch in einen europäischen Kontext eingebaut und mit Harmonien versehen wurden. Das starke improvisatorische Element und der unfertige Charakter der Musik sind Spezifika der rebetischen Kunst, die sich von der Frühphase bis in die Blütezeit durchgezogen hat. Als Blütezeit des Rebetiko gelten die dreißiger und vierziger Jahre, wobei sich in den dreißiger Jahren, der „klassischen Periode“ die ersten Aufnahmen gemacht wurden, die die ursprünglich rohen Elemente dieser Musik zu einem festen Stilrepertoire verfestigten. Während der deutschen Besatzung Griechenlands (1941-1946) wurden keine Aufnahmen gemacht. Dies und die Zensur der Rebetikolieder durch den Diktator Ioannis Metaxas, die wiederum die übliche Rebetikothematik von Drogen, Gefängnis und hoffnungsloser Liebe um soziale Themen erweiterte führte dazu, dass ab den vierziger Jahren besonders die griechischen Intellektuellen und Künstler begannen, den Rebetiko als genuines Erbe ihres Landes zu akzeptieren Der Niedergang begann in den fünfziger Jahren, als die Massenkultur in die Rebetikomusik Einzug hielt und der kommerzielle Ausverkauf die ursprünglich kathartische Wirkung zum Modeprodukt verkommen ließ. Spätestens seit den sechziger Jahren ist Rebetiko ein Nostalgieprodukt, mit ständigen Neuproduktionen der alten Lieder, dessen ursprüngliche Bedeutung verloren gegangen ist, weil die Bevölkerungsschichten und die sozialen Bedingungen unter denen er entstand, nicht mehr existierten.
Das typische Instrument des Rebetiko ist die Bouzouki, daneben wird auch die Gitarre eingesetzt. Weitere typische Instrumente sind die türkische Trommel „Baglamas“, das Tambourin, das Akkordeon, auch klassische europäische Instrumente wie die Violine oder das Klavier sind gelegentlich zu hören.