Flamenco

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Flamenco bezeichnet eine Kunstform des südspanischen Andalusien, die sowohl Musik wie auch Tanz umfasst. Das Wort Flamenco wird heute meist entweder auf die Bezeichnung für „Flame“ oder „Flamingo“ zurückgeführt. Das Wort bezieht sich einerseits auf das stolze Auftreten der MusikerInnen und TänzerInnen, es ist aber auch eine Nebenbezeichnung für die Gitanos, aus deren Kultur sich der Flamenco entwickelt hat. Inzwischen gilt als gesichert, dass die Gitanos nicht wie wie die übrigen Romagruppen Europas, auch Nordspaniens über die Türkei und den Balkan eingewandert sind, sondern über die südliche Route Nordafrikas Andalusien erreicht haben. Die frühesten Erwähnungen der Gitanos finden sich kurz nach dem Ende der Reconquista im späten 15. Jahrhundert.

Neben den Gitanos hat aber noch eine Vielzahl weiterer Kulturkreise zur Entwicklung des Flamenco beigetragen: Die Einwirkung prähistorischer hispanischer, bzw. boëtischer Kultur kann nicht nachgewiesen werden, wird aber vermutet. Ein weiterer hypothetischer Einfluss kommt von der spanischen Sakralmusik, die – im Gegensatz zum übrigen katholischen Europa des Mittelalters – nicht von der Gregorianik beherrscht wurde.

Wesentliche Einflüsse stammen dagegen zum einen von der maurisch-arabischen und zum anderen von der jüdisch-sephardischen Musik, die unter der relativ toleranten arabischen Herrschaft eine Blütezeit erlebte. In einigen alten Flamencoformen kann ein jüdischer Ursprung belegt werden. Maurische Einflüsse auf der spanischen Halbinsel reichen über tausende von Jahren zurück, aber es war die islamische Invasion die die hauptsächlichen musikalischen Einflüsse Andalusiens bestimmte. Die Mauren nannten die iberische Halbinsel Al-Andalus, wovon der Name Andalusiens herstammt. Die maurischen und arabischen Eroberer brachten ihre musikalischen Formen auf die Halbinsel und brachten gleichzeitig vermutlich einheimische Einflüsse in ihre Musik ein. In der 770 Jahre dauernden arabischen Herrschaft über Andalusien spielte Musik eine wichtige Rolle, die der südspanischen Musik ein völlig anderes Gepräge gab, als sie in der eher keltisch geprägte Musik Nordspaniens vorherrscht. Auch westafrikanische Einflüsse sind im Flamenco nachweisbar, vorwiegend in den jüngeren Stilen wie Tangos oder Fandango, die von den schwarzen Sklaven Lateinamerikas herrühren.


Wesentlich für den Charakter des Flamenco ist sein starker Bezug zur andalusischen Unterschicht und deren Bewußtsein für die Härte des Lebens. Die Urheber der Flamencokultur (Gitanos, Mauren und Juden) wurden alle verfolgt und die Mauren und Juden auch von der spanischen Inquisition 1492 vertrieben. Der Geist der Verfolgung und des verzweifelten Kampfes prägen auch bis heute viele Lieder des Flamenco. Ein weiterer Aspekt ist die Oraltradition. Die Gitanos als die eigentlichen Urheber dieser Kunstform tradieren ihre Geschichte mündlich. Die Lieder wurden den neuen Generationen innerhalb ihrer Gemeinschaft weitergegeben. Auch das direkte Umfeld der Gitanos in den unteren Schichten der andalusischen Gesellschaft war analphabetisch.

Die Reconquista endete 1492, in der Folge wurden die Mauren, Juden und und etwas später auch die Gitanos, deren Existenz kurz vorher zum ersten Mal belegt wurde, entweder zwangsassimiliert oder vertrieben. Die assimilierten Gitanos wurden ghettoisiert, wodurch ihre Kultur sich weitgehend frei von fremden Einflüssen fortentwickelte. Bereits im 18. Jahrhundert war der Flamenco ein Phänomen, das auf mehrtägigen Festivals, sog. Juergas gefeiert wurde, allerdings exklusiv auf die Gitanos beschränkt. Diese Sonderentwicklung endete im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts: 1872 wurde den Gitanos eine Reihe von Freiheitsrechten zugestanden und der Flamenco wurde als andalusische Kulturform in ganz Andalusien populär. Dennoch blieben die Gitanos soziale Außenseiter, was sich in den Texten vieler „Palos“ - Flamenco-Liedern alter Prägung – reflektiert.

Das sog. Goldene Zeitalter des Flamenco dauerte von 1869-1910.In jener Zeit erreichte der Flamenco eine breite Öffentlichkeit in den sog. „Café Cantantes, in denen die Künstler sowohl sich gegenseitig, wie auch ihr Publikum trafen. In jener Zeit entwickelte sich der Flamenco zu der heute bekannten urbanen Kunstform, damit verbunden wurde auch das kommerzielle Potential des Flamenco hier entwickelt, das einen expliziten Konzertrahmen erforderte, während davor lediglich ein Treffen von befreundeten Künstlern in der alten Form der Juerga üblich gewesen war. Der Gefahr der kommerziellen Verflachung versuchten 1922 die befreundeten Künstler Manuel de Falla und Federica Garcia Lorca zu begegnen, indem sie den „Concurso de Cante Jondo“ (Wettbewerb des tiefinneren Gesangs) begründeten, in dem besonders die kommerziell wenig attraktiven „alten“ Stile des Cante Jondo gepflegt wurden. Der Concurso wurde zwar legendär erreichte jedoch nie ein Massenpublikum. Die Stile des Cante Jondo blieben auf eine kleine Gemeinde beschränkt. Nach der Zeit des Concurso trat der Flamenco in die Phase der theatralischen Periode ein, während der die von Traditionalisten befürchtete künstlerische Dekadenz eintrat, welche allerdings von immensem Erfolg begleitet war. Die Palos (Stile) des Flamenco sind zunächst bestimmt durch Thema des Cante , daneben auch Rhythmus, Akkordfolgen, Tonleiter und Herkunft. Es gibt ca. 50 unterschiedliche Palos, von denen allerdings nicht alle aufgeführt werden. Es hat sich allgemein eine Einteilung der Palos eingesetzt nach „Cante Jondo“, dem tiefinneren Gesang, der die Dichtung Federico Garcia Lorcas maßgeblich geprägt hat und der von finsteren Themen geprägt ist. Am anderen Ende der Skala befindet sich der „Cante Chico“ (kleiner Gesang), der thematisch fröhlicher und formal einfacher ist. Dazwischen liegende Formen werden als „Cante Intermedio“ (mittlerer Gesang) bezeichnet.

Die hervorstechendste Charakteristik der Flamencomusik ist eine Mischform aus harmonischen und modalen Elementen. Die meisten Flamencostücke bauen auf eine Tonleiter, die auf der phrygischen Kirchentonleiter beruht, die allerdings im Flamencoumfeld als „dorische“ oder Flamenco-Tonleiter bezeichnet wird (EFGAHCD, oft auch mit erhöhter Terz und Septime: EFGisAHCDis) aus der heraus die Gitarristen die sog. „andalusische Kadenz“ entwickelten: a-moll – G – F – E. Der Flamencogesang ist charakterisiert durch eine Reihe spezifisch orientalischer Merkmale: Reiche Verzierung, deklamatorischer Stil, kleinräumiger Tonumfang, Gleittöne und mikrotonale Intervalle. Flamencostücke sind in der Grundstruktur vorkomponiert, werden aber von den Interpreten nach vorgegebenen Mustern variiert. Die Rhythmik des Flamenco lässt sich in drei Grundformen einteilen: Zweierrhythmen, Dreierrhythmen und Zwölferrhythmen. Zweier- und Dreierrhythmen sind den leichteren Stilen des Flamenco vorbehalten. Bemerkenswert ist auch, dass der Dreierrhythmus ein europäisches Spezifikum ist. Die Flamencos des Cante Jondo dagegen sind in der Regel in Zwölferrhythmen gehalten, wobei die Akzentuierung den jeweiligen Palo (Stil) mitbestimmt. Auch beginnen die Zirkel in der Regel nicht auf der Eins. Der Rhythmus ist allerdings nicht fest – sowohl der Sänger, wie auch die Tänzerin und in den Zwischenspielen der Gitarrist können improvisatorisch davon abweichen, solange das Grundmuster erhalten bleibt. Flamencogesang kann sowohl einem festen Rhythmus folgen, wie auch rhythmisch frei deklamiert werden. Die Abfolge von Gesang, Tanz und Zwischenspiel erfolgt nach festen Regeln, die aber für Außenstehende nicht unmittelbar einsichtig sind. Einige der alten Formen des Flamenco, wie beispielsweise der „Martinete“, werden „a palo seco“, das heißt unbegleitet von Gitarre und Tanz gesungen. Es wird aber heute angenommen, dass Tanz und Instrumentalbegleitung (Händeklatschen, Kastagnetten, oder die obligatorische Gitarre, wenn verfügbar), auch in den frühen Zeiten des Flamenco eine Rolle spielten.

Das Hauptinstrument des Flamenco ist die Flamencogitarre (Toque), die sich von der Konzertgitarre durch eine etwas kleinere Form und helleres Holz (i.d.R. Zypressenholz) auf der Decke unterscheidet. In den älteren Formen des Juergo Flamenco kommt daneben lediglich einfache rhythmische Begleitung wie Händeklatschen, Kastagnetten, und das Klappern der Tänzer auf dem Boden vor. In professionellen Auftritten spielen meist mehrere Gitarristen, es treten auch mehrere Sänger auf, während die inoffiziellen Juergas vom Sologesang geprägt sind. Im Nuevo Flamenco wurden eine Reihe von weiteren Instrumenten aus dem Rock- und Jazzumfeld eingeführt, darunter Rohrblasinstrumente wie Klarinette und Saxophon, Querflöte, außerdem Kontra- oder E-Bass, Klavier etc. Als Signaturinstrument des Nuevo Flamenco hat sich die aus dem lateinamerikanischen Raum stammende Cajon, ein einfaches Perkussionsinstrument, durchgesetzt. Aber auch elektronische Instrumente wie Synthesizer, Drumcomputer, Samples oder Turntables kommen vor.

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