Qawwali

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Qawwali (urdu: قوٌالی ist die traditionelle Form des islamischen Liedes auf dem indischen Subkontinent, heute v. a. Pakistan. Die Bezeichnung Qawwali stammt aus dem arabischen Qaol, was Axiom oder These bedeutet. Der Qawwalisänger heißt Qawwal. Der Qawwali steht in enger Beziehung zum spirituellen und künsterischen Leben in Nordwestindien und den pakistanischen Provinzen Punjab und Sindh. Er ist untrennbar mit den dortigen Sufitraditionen verknüpft. Im Gegensatz zum orthodoxen Islam nimmt der Sufismus an, dass es dem Menschen möglich ist, durch bestimmte Methoden direkten Zugang zur göttlichen Sphäre zu erlangen. Ekstase spielt dabei eine zentrale Rolle, die in vielen Sufikulturen durch Musik und Tanz induziert wird (s.a. Gnawa und Mewlewi).


Der Qawwali läßt sich zurückverfolgen bis auf das 11. Jahrhundert und wird, wie auch die Erfindung der Sitar und der Tabla dem Mystiker und Poeten Amir Khusro zugeschrieben, der den Qawwali aus einer Urform namens „Sama“ entwickelt haben soll. Tatsächlich aber lassen sich Spuren der Qawwaliform bis auf die Zeit der Völkerwanderung, noch vor Mohammed zurückverfolgen, die dann in historischer Zeit kodifiziert und verfeinert wurden. Federführend bei der Entwicklung des Qawwaligesangs ist die Sufibruderschaft der Chishti-Derwische, einem aus Herat in Afghanistan stammenden, für seine Toleranz und außerordentlich pazifistische Haltung berühmter Orden, der auf dem indischen Subkontinent herausragende Bedeutung erlangte. Wichtige Sheikhs der Chishtibruderschaft sind Nizamuddin Auliya, der Lehrer Amir Khusros und Fariduddin Ganj-i-Shakkar (Zuckerschatz), deren Grabmale heute sämtlich Pilgerstätten und Zentren des Qawwali sind. Die Entwicklung des Qawwali auf dem indischen Subkontinent läuft in etwa parallel mit der hinduistischen Schwestertradition des Bhajan, der auf die ekstatische Verehrung von Krischna gründet. Auch im angrenzenden Afghanistan hat sich eine ähnliche Qawwalitradition entwickelt.

Interessanterweise hat der Qawwali im Rahmen der Filmindustrie einen Aufschwung genommen, der weit über seine ursprüngliche Verbreitung hinausgeht. Im internationalen Bereich ist hier vor allem der 1996 verstorbene Ausnahmesänger Nusrat Fateh Ali Khan zu nennen, der auch mit vielen Popmusikern zusammenarbeitete. Die Qawwalis Nusrat Fateh Ali Khans waren in amerikanischen Filmproduktionen hauptsächlich zur Verstörung des Publikums zu hören, so in Produktionen wie „Natural Born Killers“ und „Dead Man Walking“. Dieses Irritationsmoment ist jedoch keineswegs auf „kulturfremde“ Produktionen beschränkt, sondern findet sich auch in indischen und pakistanischen Filmen wieder.


Qawwalis werden immer von Gruppen aufgeführt, üblicherweise als „Qawwali Parties“ bezeichnet, die in der Regel 6-9 Musiker umfassen. Die Party begleitet den Hauptsänger, den Qawwal. Oft wird ein Alaap vorangestellt, dann beginnt der Qawwal das Lied, die Party wiederholt die Phrase, dies wird wiederholt und variiert, wobei in der entstehenden Endlosschleife Lautstärke und Geschwindigkeit der Aufführung zunehmen, die schließlich das Publikum in die Trance, im Idealfall in einen Erleuchtungszustand führt. Die Texte der Qawwali sind meist in Urdu oder Punjabi, manchmal auch beide gemischt. Auch Persische oder Regionalsprachtexte kommen vor. Die Thematik der Texte ist immer religiös, auch wenn die Philosophie der Sufi häufig eine recht weltliche Metaphorik pflegt. So erzählt das berühmteste Lied Nusrat Fateh Ali Khans, „Mustt Mustt“ von einem betrunkenen Pilger!

Begleitet wird der Gesang durch rhythmisches Klatschen, Tabla, die allerdings im Gegensatz zur klassischen indischen Musik nicht mit den Fingern, sondern mit der Handfläche angeschlagen wird, außerdem ein Melodieinstrument, in der Regel heute ein Harmonium, das die früher übliche Sarangi weitgehend abgelöst hat. Dazu kommt als Drone-Instrument meist eine Tambura. Die Rhythmik des Qawwali ist meist einfach, der volkstümliche sechs-schlägige Tala Dadra ist vorherrschend.

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