Raï

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Version vom 16:10, 5. Apr 2008

Raï ist ein Popmusikstil aus der westalgerischen Stadt Oran. Für den Ursprung des Wortes gibt es mehrere Erklärungen: vermutlich geht der Begriff zurück auf eine Interjektion des Sängers „Yah Raï“, ähnlich wie Yeah“, „Let me tell you people“ „You know how I feel“ und ähnliche Floskeln im Blues, bzw. Soul oder Jazzgesang verwendet werden. Daneben existieren aber auch eine Reihe von arabischen Worten wie Meinung, Ansicht etc.

Die Ursprünge des Raï liegen in einer urbanen Volksmusik, die aus zwei Quellen hervorgeht. Die eine ist die ländliche beduinische Hochzeitsmusik der Cheikhas, und die andere der Chaâbi, die im Zuge der Verstädterung des frühen zwanzigsten Jahrhunderts weiterentwickelte klassische Musik Algeriens, die sich durch die Verwendung westlicher Instrumente und moderner Themen von ihren Ursprüngen abhebt.

Den entscheidenden Schritt zum eigentlichen Raï machte ab Ende der sechziger Jahre der Trompeter Bellemou Messaoud, der diesen einheimischen Einflüssen eine explizite popmusikalische Form gab.

Für die moderne Form des Raï zeichnet vor allem der Produzent Rachid Baba Ali Ahmed aus Tlemcen verantwortlich, der ab Beginn der achtziger Jahre durch den am New-Wave Sound geprägten Einsatz elektronischer Instrumente wie Synthesizern und Drumcomputern das heute gängige Klangbild formte, daneben aber auch die Produktionskosten wesentlich senkte und im Sinne der Punkästhetik sowohl für neue Künstler, wie für das wenig zahlungskräftige Publikum einen einfachen Marktzugang schuf. Algerien, das in den ersten Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit mit seiner religiös liberalen, wirtschaftlich am Sozialismus geprägten Politik als Musterentwicklungsland galt, erlitt in den achtziger Jahren durch die Bevölkerungsexplosion eine tiefe gesellschaftliche Krise. Ein riesiges Heer an arbeitslosen und frustrierten Jugendlichen, gefährdete die Grundlagen der algerischen Gesellschaft, weswegen die Regierung den Raï zunächst durch Verbote einzudämmen versuchte, was sich aber als aussichtslos erwies. Ab 1985 wurde das kommerzielle Potential in den Vordergrund gestellt und das Phänomen des Raï ausdrücklich gefördert, was seither den Raï international zur zweitwichtigsten Popmusik nach dem Reggae gemacht hat.

Die neunziger Jahre, nach dem Erdrutschsieg der islamistischen FIS und dem Putsch des Militärs in dessen Gefolge sich ein Bürgerkrieg entspann, dessen Auswirkungen bis heute andauern, wurde der Raï vor allem von der fundamentalistischen Opposition mit terroristischen Mitteln bekämpft. Viele der populären Raï-Musiker wie Khaled oder Cheb Mami verließen das Land. Das bekannteste Opfer des Wahnsinns wurde 1996 der König des „Love-Raï“ Cheb Hasni, aber auch der oben erwähnte Produzent Rchid Baba Ahmed wurde ermordet.

Moderne Formen des Raï beziehen Musikstile wie Techno, und den vor allem bei der algerischen Migrantenjugend beliebten Rap ein, daneben existieren aber auch Entwicklungen, die sich stärker an historischen Modellen wie dem Chaâbi oder der Einbeziehung von akustischen Instrumenten orientieren.

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