Raï
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Der sogenannte Raï (arabisch راي) ist ein populärer Musikstil der modernen arabischen Musik, der in der westalgerischen Stadt Oran entstanden ist.
Für den Ursprung des Wortes gibt es mehrere Erklärungen: Eine Erklärung besagt, daß der Begriff Raï auf den Ausruf Yah Raï zurückgeht, einem Ausruf, den die Sänger ähnlich wie Yeah, Let me tell you people, You know how I feel und ähnliche Floskeln im Blues, bzw. Soul oder Jazzgesang verwenden. Daneben hat der arabische Begriff ra´y die Bedeutung Meinung, Sichtweise oder Standpunkt, aber auch Ratschlag, Gedanke, Entscheidung, Plan oder Ziel.
Die Ursprünge des Raï liegen in einer urbanen Volksmusik, die aus zwei Quellen hervorgeht. Die eine ist die ländliche beduinische Hochzeitsmusik und die andere die Chaâbi, der im Zuge der Verstädterung des frühen zwanzigsten Jahrhunderts weiterentwickelten klassischen Musik Algeriens, die sich durch die Verwendung westlicher Instrumente und moderner Themen von ihren Ursprüngen abhebt.
Den entscheidenden Schritt zum eigentlichen Raï machte ab Ende der sechziger Jahre der Trompeter Bellemou Messaoud, der diesen einheimischen Einflüssen eine explizite popmusikalische Form gab.
Für die moderne Form des Raï zeichnet vor allem der Produzent Rachid Baba Ali Ahmed aus Tlemcen verantwortlich, der ab Beginn der achtziger Jahre durch den am New-Wave Sound geprägten Einsatz elektronischer Instrumente wie Synthesizern und Drumcomputern das heute gängige Klangbild formte, daneben aber auch die Produktionskosten wesentlich senkte und im Sinne der Punkästhetik sowohl für neue Künstler, wie für das wenig zahlungskräftige Publikum einen einfachen Marktzugang schuf.
Algerien, das in den ersten Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit mit seiner religiös liberalen, wirtschaftlich am Sozialismus geprägten Politik als Musterentwicklungsland galt, erlitt in den achtziger Jahren durch die Bevölkerungsexplosion eine tiefe gesellschaftliche Krise. Ein riesiges Heer an arbeitslosen und frustrierten Jugendlichen, gefährdete die Grundlagen der algerischen Gesellschaft, weswegen die Regierung den Raï zunächst durch Verbote einzudämmen versuchte, was sich aber als aussichtslos erwies. Ab 1985 wurde das kommerzielle Potential in den Vordergrund gestellt und das Phänomen des Raï ausdrücklich gefördert, was seither den Raï international zu einer angesehenen Popularmusik aus dem arabischen Kulturraum gemacht hat.
In den neunziger Jahren änderten sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Algerien schlagartig, nachdem sich bei den Parlamentswahlen von 1991 ein Erdrutschsieg der islamistischen FIS abzeichnete, das Militär putschte und sich ein Bürgerkrieg entwickelte, dessen Auswirkungen bis heute andauern. Im Verlauf der terroristischen Auseinandersetzungen wurde der Raï vor allem von der fundamentalistischen Opposition bekämpft. Viele der populären Raï-Musiker wie Cheb Khaled oder Cheb Mami verließen das Land. Das bekannteste Opfer des Wahnsinns wurde 1996 der König des „Love-Raï“ Cheb Hasni, aber auch der oben erwähnte Produzent Rachid Baba Ahmed wurde ermordet.
Moderne Formen des Raï beziehen Musikstile wie Techno, und den vor allem bei der algerischen Migrantenjugend in Europa (vorwiegend Frankreich) beliebten Rap ein, daneben existieren aber auch Entwicklungen, die sich stärker an historischen Modellen wie dem Chaâbi oder der Einbeziehung von akustischen Instrumenten orientieren.